1. der Philosoph des
„ jugement naturel “
Das Urteil, um das es in den Essais geht, ist das sogenannte
„ jugement naturel (1)“. Dabei handelt es sich
um ein Urteilsvermögen auf der Basis von Unkenntnis,
das heißt ein Urteil, das sich ausschließlich
auf eigene Kräfte stützt, und ohne die Hilfe einer
Lehrmeinung oder irgendwelcher übernatürlicher Instanzen
auskommt. Zu Beginn des Kapitels I,26, „Über die
Knabenerziehung“ beschreibt Montaigne eine fiktive Befragung
von Schülern. Diese dreht sich um ganz allgemeine Dinge,
was ihnen folglich nicht erlaubt, speziell erworbenes Wissen
anzuwenden : "Zwänge man mich dennoch dazu, sähe
ich mich genötigt, trotz meiner geringen Kompetenz irgendein
Thema von allgemeinem Interesse herauszugreifen, und daran
sein natürliches Urteilsvermögen zu erproben : eine
Lektion, die den Schülern ebenso fremd ist wie mir die
ihre (2).” Montaigne stellt sich des weiteren vor, eine
Prüfung abzuhalten, auch wenn er zugibt, dass wohl jeder
beliebige Schüler der unteren Klassen mehr über
Aristoteles weiß als er. Die Überlegenheit, die
er als Prüfer für sich einfordert, betrifft also
allein das Urteilsvermögen. Diese Situtation spiegelt
diejenige wider, in die sich Montaigne in seinem Werk durchweg
versetzt.
Sinn der „ essais du jugement “ ist die Prüfung
der natürlichen Urteilskraft Montaignes selbst, und zwar
genau in dem Sinne wie er sie im Kapitel über die Kindererziehung
versteht. Das Gegenstück zu seinem Interesse am natürlichen
Urteil ist der Mangel an Wissen. Mithilfe der Begriffe „
doctrine “ und „ science “ umschreibt Montaigne
jede Art von festgefügtem Wissen, von dem er sich distanziert.
Wenn er etwa die Zugangsprüfungen der angehenden Juristen
im Gerichtshof als Beispiel anführt, so kommt er zu dem
Schluss, dass es wichtiger sei ein gutes Urteilsvermögen
zu haben als Rechtsgelehrter zu sein : „obwohl beides
erfordelich ist und vorhanden sein muss, kommt dem Wissen
ein geringerer Wert zu als dem Verstand : Dieser kann auf
jenes verzichten, jenes aber nicht auf diesen (3)“.
Mit anderen Worten ausgedrückt, das Urteilsvermögen
ist eine notwendige Bedingung dafür, das erworbene Wissen
als Fähigkeit und Tun umzusetzen, was sich umgekehrt
jedoch nicht so verhält : man kann ein gutes Urteil fällen
ohne gebildet zu sein. Und aus diesem Grund muss vor allem
die Urteilskraft geformt werden : „Auf nichts anderes,
als es zu bilden, haben seine Erziehung und die Mühen
seines Studiums abzuzielen (4)“.
Das natürliche Urteil kann
ohne Wissen und ohne Regeln ausgeübt werden : „
Dies sind hier lediglich Versuche, meine natürlichen
Fäehigkeiten zu Nützen, und wer mich bei einem auf
unwissenheit beruhenden Fehler ertappt, vermag mir nichts
anzuhaben (5)(…).“ Wenn Montaigne sich im Kapitel
über die Schulmasterei an seine Gespräche mit dem
großen Lehrer Adrien Turnèbe (Adrianus Turnebus)
erinnert, so rühmt er sich, dabei die Kraft von dessen
natürlicher Urteilskraft unter Beweis gestellt zu haben.
Zu diesem Zweck lockte er seinen Gesprächspartner auf
Gebiete, die diesem nicht vertraut waren, und wobei er folglich
sein Wissen nicht anwenden konnte. So konnte Montaigne nachprüfen,
dass das Urteilsvermögen von Turnebus völlig unversehrt
geblieben war – trotz seiner umfassenden Bildung, die
es sehr wohl hätte beeinträchtigen können (6).
Deshalb hebt er seinen Lehrer lobend gegenüber „pedantischen
“ Geistern hervor, die „zwar ein recht volles
Gedächtnis, aber einen durch und durch hohlen Verstand
haben (7)“.
Den Guten Privatlehrer kennzeichnet dadurch, dass er „eher
einen wohlgestalten als wohlgefüllten Kopf hat (8)“,
wie Montaignes berühmt gewordener Ausspruch besagt. Die
Prüfung der natürlichen Urteilskraft ohne Rückgriff
auf erworbenes Wissen bildet gewissermaßen den Ausgangspunkt
der Essais. Dieses pädagogische Schema ist besonders
wichtig um zu verstehen, warum Montaigne im Gegensatz zu seinen
humanistischen Kollegen nie ein Erziehungsprogramm oder einen
–plan ausarbeitete (9). Betrachtet man die Bedeutung
des Essai als Beweisführung für das natürliche
Urteilsvermögen, so erscheint diese Vernachlässigung
als Ausdruck einer ganzen Philosophie : Montaigne ist der
Philosoph und der Pädagoge der naturgegebenen Urteilsfähigkeit.
2. über die Notwendigkeit der
Erziehung
Das Verständnis der Philosophie als Ausübung der
natürlichen Urteilskraft berechtigt Montaigne somit,
sie für Kinder zu empfehlen. Das Kind, wie überhaupt
der ganze Mensch, ist für Montaigne Philosoph von Natur
aus, und zwar soweit wie er in der Lage ist, sein Urteilsvermögen
spontan auszuüben. Dabei setzt die Erziehung so früh
wie möglich an, um den Menschen dazu anzuleiten diese
natürliche Fähigkeit gewinnbringend einzusetzen.
Das philosophierende Kind steht vor allem für den Vorgang
der Erfahrung, was einem aufmerksamen Beobachter wie Montaigne
nicht entgehen konnte. Dies besagt auch, dass das Kind als
je nach Kultur unterschiedlich gesehene Verkörperung
des Menschen im 17. Jahrhundert als beachtenswert angesehen
wird. Zu dieser Zeit tauchen auch die ersten Kinderporträts
auf . In den Essais, die zwischen 1572 un 1592 verfasst wurden,
sind die Woerter „ enfance “ 65 Mal nachweisbar,
„ enfant “ 59 Mal und „ enfants “
sogar 237 Mal ! Ganz allgemein ist das Kind in der philosophischen
Tradition gut vertreten. Es sei hier nur auf Sokrates’
Menon zu verwiesen, in dem der Philosoph einen jungen Sklaven
befragt und ihn die Gesetze der Mathematik entdecken lässt,
die er von Natur aus bereits in sich trägt (10). Im Fahrwasser
des Platonismus stellt Comenius, der große tschechische
Philosophe und Pädagoge des XVII. Jahrhunderts die These
auf, dass „es liege so sehr in der Natur des Menschen,
alles zu wissen, dass ein siebenjähriger Junge alle Fragen
der gesamten Philosophie met Sicherheit beantworten könne,
wenn man sie nur gescheit stelle; deshalbe nämlich, weil
schon das Licht der Vernunft allein ein hinreichendes Bild
und Mass (forma et norma) aller Dinge gebe (11)“. Das
Kind als versinnbildlicht also für jede Generation die
wiedergefundene Aussicht auf das universelle Verständnis.
Ein zeitgenössischer Philosoph schreibt, dass das Kind
niemals sektieresich ist. Da es im Element des Allgemeines
lebt, seine Empfangsbereitschaft ist grenzenlos. Daher ist
das Kind vernünftiger als der Erwachsene, obwohl es das
Vernünftige noch nicht beherrscht. Es fürht das
erlebtes Fühlen des allgemeinen Gleichheit an (12).“
Montaigne teilt diese Idee, wonach das Kind, noch frei von
Vorurteilen, dem Universellen näher steht als der Erwachsene.
Sein intellektuelles und moralisches Potential muss dabei
durch eine angemessene Erziehung gleichermaßen bewahrt
und entwickelt werden.
In den Augen seiner Zeitgenossen gehört Montaigne in
die Nachfolge von Erasmus, da dieser sich zum Fürsprecher
einer frühzeitigen Erziehung gemacht hatte. Das pädagogische
Hauptwerk von Erasmus heißt auch tatsächlich De
pueris statim ac liberaliter educandis, „ Über
die Notwendigkeit, Kindern sofort eine freigeistige Erziehung
zu erteilen “. „ Statim “ : man muss mit
der Erziehung der Kinder so früh wie möglich beginnen,
um das Alter nicht ungenutzt vorübergehen zu lassen,
in dem sie noch formbar sind, und ihr Charakter seine prägenden
Züge erhält. Montaigne, der den Menschen weit mehr
als ein Gewohnheitswesen denn als ein Vernunftwesen ansah,
unterstreicht so die Wichtigkeit der Kindheit für die
Festlegung des Lebensweges im Erwachsenenalter. Zitieren wir
an dieser Stelle in voller Länge die entsprechende Passage
aus Kapitel I,23, „Über die Gewohnheit und dass
man ein Ueberkommenes Gesetz nicht leichtfertig ändern
sollte (13)“, wo Montaigne die Notwendigkeit einer moralischen
Erziehung von der Wiege an darlegt : „Ich finde, dass
unsere grössten Laster schon in der zartesten Kindheit
anfangen, die Seele zu krümmen, und dass der wichtigste
Teil unser Charakterformung daher in den Haenden der Ammen
liegt. Die Mütter nehmen es als Zeitvertreib, ihrem Kind
zuzusehen, wie es einem Hünchen den Hals umdreht oder
sich damit vergnügt, Hunde und Katze zu misshandeln (…).
Aber gerade dies sind die wahren Wurzeln und Samen der Grausamkeit,
der Tyrannei und des Verrats : Hier keimen sie auf, schiessen
üppig ins Kraut und werden unter den Händen der
Gewohnheit immer mächtiger. Es is eine sehr gefärliche
Erziehungspraxis, solche niederträchtige Neigungen mit
dem noch ungefestigtem Charakter des Kindes und der Geringfügigkeit
der Sache zu entschuldigen (…). Man muss die Kinder
eindringlich lehren, die Laster als solche zu hassen, man
muss sie deren ureigne Scheusslichkeit lehren, damit sie nicht
nur in ihrem Tun, sondern mehr noch in ihrem Herzen vor ihnen
zurückschrecken, ja, schon der Gedanke an sie, welche
Maske sie auch tragen mögen, ihren Abscheu erregt (…)
wie überhaupt zu betrachten ist, dass die Spiele der
Kinder keine Spielerei sind, sondern als die für sie
ernsthaftesten Handlungen bewertet werden müssen (14).
“
Tatsächlich ist das Kapitel über die Gebräuche
(I,23) – und nicht etwa die pädagogischen Kapitel
(I,25 und I,26) – ausschlaggebend für die Notwendigkeit
einer frühzeitigen Erziehung. Im Kapitel I,26 wiederholt
Montaigne : „Daher kommt es, das man, wenn man den Weg
für die Knaben hicht richtig gewählt hat, häufig
Jahre verwendet und sich dennoch vergeblich abmüht, sie
zu Dingen zu erziehn, in denen sie nicht Fuss fassen koennen
(15).“
Montaigne sagt darin nichts über die gute oder schlechte
Natur des Menschen, sondern bekräfigt lediglich, dass
der Mensch ein Gewohnheitswesen sei (16). Aus diesem Grund
wird es möglich, eine bestimmte Richtung dem menschlichen
Leben durch die Erziehung zu geben. Das Kind ist zwar noch
äußerst formbar, keineswegs aber ein krummes Stück
Holz, das geradegebogen werden muss, sondern eine zarte Seele,
imstande um bestimmte Gewohnheiten für immer anzunehmen
– aber auch leicht zu traumatisieren. „ In der
Erziehung einer zarten Seele, die man zu Ehre und Freiheit
heranbilden will, verurteile ich jede Gewalt (17). “Auch
hier folgt Montaigne Erasmus, der jegliche Gewalt aus der
Welt der Kindheit verbannt hatte (18).
Die lange Passage, die wir gerade zitiert haben, ist in erster
Linie eine Anklage gegen die Gewalt oder die pädagogische
Unfähigkeit der Eltern. Montaigne plädiert dafür,
Eltern die Erziehungsverantwortung zu entziehen, die ihren
Kindern gegenüber gewalttätig sind oder angeborenen
Unarten nichts entgegensetzen können. Auch die Rechtfertigung
dafür muss außerhalb der pädagogischen Kapitel
gesucht werden, nämlich in einer Passage des II. Buches,
die unter dem Einfluss von Aristoteles steht : „ Die
meisten unserer Gemeinwesen, sagt Aristoteles, überlassen
nach Art der Kyklopen jedem Mann das Regiment über Frau
und Kinder, so dass er mit ihnen nach seinen noch so verrückten
Vorstellungen frei schalten und walten kann. Spartaner und
Kreter sind fast die einzigen, welche die Erziehung ihrer
Kinder dem Gesetz anvertraut haben – und wer saehe nicht,
dass in einem Staat tatsächlich alles von deren Heranbildung
und Charakterformung abhängt? Und dennoch liefert man
sie auf gut Glück der Fuchtel ihrer Eltern aus, wie beschränkt
und bösartig diese auch sein mögen (19).“
Montaigne leiht von Aristoteles und der Betrachtung der Gesellschaftsordnung,
die Lycurg in Sparta etabliert hatte, die Vorstellung, dass
ein funktionierendes Staatswesen größtenteils von
seiner Fähigkeit abhängt, sich die Mitwirkung fügsamer
Bürger zu sichern (20). Dennoch ist das Argument, das
er in seinem eigenen Namen vorbringt, nicht die Sorge um den
Staat, sondern der Protest gegen elterliche Gewalttätigkeit.
„ Wenn ich zum Beispiel durch unsere Strassen ging und
beobachtete, wie kleine Jungen von einem wutschnaubenden Vater,
einer irrsinnig tobenden Mutter grün und blau geschlagen
und zu Boden geprügelt wurden – wie oft packte
mich da die Lust, mit einem bühnenreifen Donnerwetter
drein zu fahren, um die Ärmsten zu rächen ! Man
sieht solche Eltern blitzenden Auges, ja geradezu feuerspeiend
über ihre Sprösslinge herfallen (21)(…)“
!
Montaignes Interesse für die Kindheit rührt hauptsächlich
von seiner Sorge um das Kind als solches her. Wie seine tiefe
Empörung über die Kindern gegenüber angewendete
Gewalt zeigt, sieht Montaigne im Kind weniger den zukünftigen
Bürger oder den späteren mächtigen Erwachsenen,
sondern eine besondere, in sich vollwertige Person (22). Er
wählt die Erziehung durch einen Hauslehrer vor allem,
um das Kind von zwei Quellen der Gewalt abzuschirmen : der
Gewalt der Eltern und der Gewalt der Lehrer in der Schule.
Vom zartesten Alter an soll ein Erzieher sich des Kindes annehmen,
der auf die Anwendung jeglicher Gewalt verzichtet. Aber welche
positive Erziehung wird er dem Kind zukommen lassen ?
3. außerhalb der Schule
Die zentrale Rolle, die Montaigne der Philosophie in der Erziehung
einräumt, ist auch mit der Tatsache verbunden, dass das
Kind nicht mehr zur Schule geht. Kapitel I,26 ersetzt die
Schule durch eine eher traditionelle Art des Lernens, nämlich
den Umgang mit Erwachsenen und die daraus resultierende Nachahmung.
Montaigne weitet diese Erziehungsmethode aus zum „Umgang
mit Land und Leuten (23)“ im allgemeinen Sinne, was
allerdings nicht mit einer schlichten Rückkehr zur „
archaischen (24)“ Erziehung verwechselt werden darf.
Zu der Zeit als Montaigne geboren wurde und aufwuchs, änderte
sich die Erziehung in Adelskreisen von Grund auf. Der Erfolg
der humanistischen collèges war so groß, dass
auch Adlige ihre Kinder immer öfter dorthin schickten.
Montaignes Vater gab also gewissermaßen einer Modeerscheinung
nach. Nicht gerade schmeichelhaft ist es, wenn der Sohn das
Verhalten des Vaters mit dem von Kranichen vergleicht : „
liess sich auch der gute Mann aus der masslosen Furcht, dass
er in einer im derart am Herzen liegenden Sache scheitern
könnte, schliesslich von der allgemeinen Meinung mitreissen,
die, den Kraninchen gleich, stets dem folgt, der sich an die
Spitze setzt, und fügte sich doch noch dem vorherrschenden
Brauch (25) (…). “
Pierre Eyquem, Seigneur de Montaigne, entschied sich für
das collège und somit gegen die traditionelle Art der
Erziehung, wonach ein junger Edelmann in einem anderen adligen
Hause als Page diente. Für den künftigen Sohn Dianes
de Foix, dem Montaigne seine Überlegungen zur Erziehung
in Kapitel I,26 widmet, soll dagegen letztere Erziehungsmethode
wiederbelebt werden. Durch Beobachtung, Teilnahme und Diskussion
soll das Kind sich mit seinen zukünftigen Aufgaben vertraut
machen. In der Schule dagegen kann das Kind sich nicht mehr
unter die Erwachsenen mischen und in direktem Kontakt mit
ihnen für das Leben lernen ; sondern es lernt durch Vermittlung
von abstraktem Wissen, was eine übermäßige
Gedächtnisleistung verlangt. Heute würden wir sagen,
dass das Kind von der Gesellschaft abgesondert wird, „
gesellschaftlich isoliert (26)“. Montaigne schreibt
zu einer Zeit, als die Schule in Frage gestellt wird. Er stellt
fest, dass die Schule ihr Ziel verfehlt, indem sie den Geist
unterjocht anstatt ihn zu einem unabhängigen Urteil und
zur Tugend zu erziehen. Historiker wie Roger Trinquet und
Georges Huppert haben auf die Enttäuschung der späten
Humanisten angesichts der Schule als Institution aufmerksam
gemacht : die humanistischen collèges konnten das Versprechen,
den Menschen durch die Erziehung wiederzubeleben, nicht erfüllen
(27). Montaigne dagegen entdeckt die Vorzüge einer nicht
schulischen Pädagogik neu und hält demonstrativ
die Gegenposition zur humanistischen Begeisterung für
die Institution Schule.
Erziehung, wie Montaigne sie begreift, ist das genaue Gegenteil
der Schule. Er vertritt die Vorstellung einer Erziehung im
Einklang mit dem sozialen Milieu des jungen Adeligen, mit
seinen zukünftigen Führungsaufgaben im „adligem
Hause (28)“, womit unser Autor die kritische Auseinandersetzung
mit der Pädagogik von Erasmus in Bewegung bringt (29).
Die Erziehung soll unter der Anleitung eines Hauslehrers im
Rahmen eines bürgerlichen Haushalts vonstatten gehen,
fern der elterlichen Autorität (30). All dies soll auf
sanfte Art geschehen : „wird auch unsre Unterweisung,
da sie gleichsam beiläufig, an keinen Ort und keine Zeit
gebunden erfolgt und all unser Tun einbezieht, gar nicht als
soche wahrgenommen werden. Selbst Spiele und Leibesübungen
sind ein wesentlicher Teil davon (31)(…).“ Montaigne
eignet sich zwar Erasmus’ Vorstellung einer sanften
Erziehung an, tut dies im Gegensatz zu jenem aber um den Ausschluss
des schulischen Milieus zu rechtfertigen. „Ich will
aber keineswegs, dass man den Knaben, um all das zu erreichen,
in eine Lehranstalt einsperre (32).“ Wenn nun die Philosophie
in diesem neuen Konzept einen zentralen Platz einnimmt, dann
genau aus dem Grund, weil sie eben keine Abart der schulischen
Erziehung ist, sondern sich vielmehr auszeichnet durch „
das Vorrecht, überall Zutritt zu haben (33).“ Die
Absicht, die Erziehung aus der Schule heraustreten zu lassen,
spielt in der Pädagogik Montaignes die Rolle eines Leitmotivs
: „ Ob Zimmer oder Garten, ob Tisch oder Bett, ob Einsamkeit
oder gesellige Runde, ob Morgen oder Abend – zum Studium
soll unser Zögling jede Stunde gleichermassen dienlich,
jeden Ort gleichermassen tauglich finden; denn die Philosophie,
die als Bildnerin von Kopf und Herz seine hauptsächliche
Lehrmeisterin sein wird, besitzt das Vorrecht, überall
Eintritt zu haben (34).“
Montaigne also entlässt die Erziehung aus der Schule,
aber keineswegs um auf archaische Formen zurückzugreifen.
Vor allem die Fähigkeit, sich überall in das Leben
einzubringen ist es, die der Philosophie bei Montaigne ihre
zentrale pädagogische Bedeutung verleiht. So nimmt noch
bei Montaigne die Philosophie die Aufgabe auf sich auf, eine
vollständige Erziehung des Menschen zu führen. 4.
die Erziehung als Philosophie und das Ideal der sokratischen
Naivität. Die frühestmögliche Erziehung muss
von der Philosophie vereinnahmt werden. Dem antiken Ideal
folgend, erscheint die Philosophie in den Essais als magister
vitae, gemäß der Formulierung Ciceros, die von
den Humanisten übernommen wurde : die Philosophie ist
die „ Lehrmeisterin des Lebens “, da sie für
eine richtige Lebensführung unerlässlich ist.
Montaigne wünscht, dass sie sich dem Kind am frühesten
zuwendet : „Da es also die Philosophie ist, die uns
zu leben lehrt und folglich wie jedem anderen Alter auch der
Jugend etwas zu sagen hat – warum macht man sie dann
nicht mit ihr bekannt ? (…) Verwenden wir deshalb diese
so kurze Zeit auf die wirklich wichtigen Unterweisungen !
Fort mit all dem Abwegigen, fort mit all den vertrackten Spitzfindigkeiten
der Dialektik, die unser Leben doch nicht zu bessern vermögen
! Nehmt statt dessen die einfache Sätze der Philosophie
und lernt, sie sinnvoll auszuwählen und den rechten Gebrauch
davon zu machen : Sie sind leichter zu verstehn als eine Erzählung
des Boccacio ! Der kleinste Knabe schon schafft das, sobald
er entwöhnt ist, weitaus besser, als lesen und schreiben
zu lernen. Die Philosophie hält für jeden Menschen
ihre Lehren bereit, vom Kindesalter bis zum Wiederkindish
werden (35).“
Die Philosophie ist aus zweierlei Gründen kindegmäß
: so ist das Kind nicht nur fähig zu philosophieren,
sondern die Tradition hat ausdrücklich einen Teil ihrer
Schätze nur ihm vorbehalten. Die Vorstellung, dass es
nie zu früh noch zu spät sei um zu philosophieren,
leiht Montaigne von Epikuräern und Stoikern gleichermaßen.
Dieser Gedanke ist im Kontext der Renaissance einzigartig,
wo der verbreitete Zeitbegriff im Bezug auf den Menschen von
der Vorstellung der Lebensalter dominiert wird (36).
Auch Montaigne stellt fest : „ toutes choses ont leur
saison (37)“. Es gibt zwar keine feste Zeit um aus der
Philosophie Nutzen zu ziehen ; damit sie aber in der Kindheit
von Nutzen sein kann, muss sie von ihren Wildwüchsen
und ihren „ belanglosen Spitzfindigkeiten (38)“befreit
werden. Der letzte Punkt gibt Montaigne die Gelegenheit eine
Reform der Philosophie vorzuschlagen, die sich weniger auf
ihre Inhalte bezieht als auf die Art wie diese vermittelt
werden. Das ehrgeizige Ziel dieser Reform ist es, die Philosophie
aus der Missachtung zu herausholen, in die sie geraten ist
: „ Es ist ungeheuerlich, wie die Dinge in unserem Jahrhundert
so weit verkommen sind, dass der Name Philosophie sogar von
verständigen Menschen bloss noch als Schall und Rauch
empfunden wird, ja dass sie nicht nur nach der vorherrschenden
Meinung, sondern tatsächlich keinerlei Wert und Nutzen
mehr hat (39).“
Es geht also darum, die Philosophie mit dem Leben und dem
Praktischen zu versöhnen. Im Hinblick auf die Erziehung
seiner Zeit besteht die Leitlinie von Montaignes Erziehungsplan
darin, das Wissen zugunsten von der Urteilskraft und der Tugend
zurückzustellen (40). Die Betonung der Philosophie als
„ formatrice du jugement et des mœurs (41)“
bringt dies am besten zum Ausdruck.
Montaignes Interesse an der Erziehung korrespondiert auch
mit einer Überlegung, die er über die grundlegende
Natur der Philosophie anstellte. In den Kapiteln I,25 und
I,26 versteht er die Heranbildung des Urteils und der Sitten
als das Herzstück der Erziehung. Diese ist grundsätzlich
das Erlernen der Moralphilosophie, „gemäss der
Meinung Platons, der sagt, Standfestigkeit, Treue und Redlichkeit
seien die wahre Philosophie, die übrigen Wissenschaften
hingegen, die auf andres abzielten, nur Schminke (42).“
So wird Platon als wahre Philosoph kennzeichnet, als er seinen
spekulatives Genie verliert. Montaigne lässt das Kind
die Philosophie erlernen, indem er es einerseits dazu anleitet,
bei verschiedenen Autoren Beispiele der Tugend zu entdecken,
und es andererseits „ les plus profitables discours
de la philosophie (43)“ lehrt, die den Unterschied zwischen
Wissen und Unkenntnis, das Ziel des Lernens oder die Natur
der Gerechtigkeit betreffen. Die Philosophie muss also in
der Lage sein das Kind anzusprechen, und vor allem ein heiteres
Gesicht zeigen : „ Man begeht jedoch ein grosses Unrecht,
wenn man sie den jungen Menschen als unzugänglich hinstellt
und ihr ein verkniffnes, finsteres und furchterregendes Gesicht
anmalt. Wer hat sie mir nur mit dieser fahlen, abscheulichen
Fratze verlarvt und verschandert ? In Wahrheit ist nichts
frölicher und frohgemuter als sie, nichts spielfreudiger
und, fast hätte ich gesagt, überschäumender.
Nur Lust und Wonne predigt sie (44).“
Fast schon lyrisch schreibt Montaigne, wenn er die antike
Gattung der Protreptik, das heißt des Lobpreises der
Philosophie, wieder aufnimmt. Denn wenn das Kind aus Lektionen
in Philosophie Nutzen ziehen kann, so muss auf ihre Erscheinung
und äußere Form Wert gelegt werden. Montaigne verbindet
Philosophie und Pädagogik eng miteinander, denn die „
vraye philosophie “ wird einem pädagogischen Ideal
zufolge als die Bildung von Urteilsvermögen und Sitten
verstanden (45).
Mit den griechischen und latainischen Autoren vertraut, kennt
Montaigne das antike Ideal der Erziehung als „ culture
de l’âme “, Seelebildung, und führt
sie im humanistischen Ideal fort (46).
Montaigne erneuert also das Verständnis dafür, dass
die Erziehung ein von Grund auf philosophischer Akt ist, ebenso
wie die Philosophie ein Akt der Erziehung und der Kultivierung
ist. Im Sinne Montaignes kann man den Edelmann, der jegliche
Spezialisierung ablehnt, somit als Erben des humanistischen
Ideals betrachten, das seinen Ursprung in dem der griechischen
paideia hat (47). Montaigne erhebt Sokrates zum Modell dieses
Ideals.
Von allen Philosophen ist Sokrates am meisten Kind geblieben.
Montaigne stellt Catos „ angespannte Haltung (48)“
dem natürlichen Verhalten von Sokrates gegenüber,
dessen „ naifveté (49)“ oder kindliches
Gemüt, er zum Prinzip erhebt. Sokrates machte allein
von seiner naturgegebenen Urteilskraft Gebrauch; er philosophierte
„ aus soch allgemeinen und natürlichen Triebkraften,
aus soch gewöhnlichen und alltäglichen Vorstellungen
(50) (…) “. Auch Sokrates’ Seele ist unversehrt
geblieben, da sie sich weder durch die Gebräuche, noch
das Wissen oder den Ehrgeiz beeinflussen ließ. Dieses
kindliche Ideal des Philosophen bildet den Gegensatz zu den
Kunstgriffen der scholastischen „ science “, deren
Vorgehensweise Montaigne in der Apologie de Raimond Sebond
auseinandernimmt.
Montaigne fühlt sich dazu berechtigt in das Bild des
wahren Philosophen die Züge des Kindes einzufügen
: „ Es ist grossartig, wie er zum Beispiel die blossen
Vorstellungen eines Knaben in so geordnete Bahnen zu lenken
wusste (und ohne sie dabei zu verbiegen oder zu überdehnen),
dass desem heiraus die schönsten Erkenntnisse der menschlichen
Seele erwuchsen : einer Seele, die Sokrates weder als erhaben
noch als reich vorführt, sondern als lediglich mit gesundem
Menschenverstand begabt (51).“ Zwischen dem Kind und
dem Philosophen Sokrates existiert eine perfekte Übereinstimmung,
insofern, als beide ihr Urteil ganz ohne Kunstgriffe ausüben.
Deshalb stellt Montaigne sich keineswegs aus Bescheidenheit
selbst als Kind dar, wenn er seinem das Leser darlegt „
eigenständige Erwägungen, nicht auf himmlische Verfügung
festgelegte, über jeden Zweifel und Zwist erhabne Wahrheiten;
Sache des Meinens, nicht des Glaubens, Darlegung dessen, was
ich meinem Kopfe folgend bekenne, nicht dessen, was ich Gottes
Gebot folgend bekenne – so wie Kinder iher Versuche
vortragen : belehrbar, nicht belehrend (52)(…). “
Diese ursprüngliche Naivität und Unverfälschtheit
des Urteils, die er Sokrates zuerkennt, will Montaigne auch
als das Fundament seines Werkes verstanden wissen. Montaigne
sah im Kind nicht nur den Prototyp, sondern das Vorbild des
Philosophen. Die seinem Urteilsvermögen gewidmeten Aufsätze
wollen sich als „Vorstellungen eines Knaben“ verstanden
wissen, voll von sokratischer Spontaneität. Durch die
häufige Bezugnahme auf Sokrates und die Kindheit also
gelingt es Montaigne, die eigenständige philosophische
Bedeutung der Essais hervorzuheben.
Marc Foglia, Université de Paris-I Sorbonne,
übersetzt mit Daniela Kneissl
(1)Montaigne, Les Essais, éd. P. Villey,
Paris, Puf, 1924. I,26,146a. (Wir nennen erst das Buch, dann
das Kapitel, dann die Seite).
(2)Michel de Montaigne, Essais, eine moderne Gesamtuebersetzung
von Hans Stilett, Frankfurt-am-Main, Eichborn, 1998, I, pp.226-227
(Wir nennen erst das Buch, dann die Seite).
(3)H.Stillet, I,218-219; P.Villey, I,25,140a
(4)H.Stillet, I,236
(5)H.Stillet, II, 121; P.Villey, II,10,407a
(6)H.Stillet, I,218 : “ Ich habe ihn oft absichtlich
auf Themen wie Kriegs- und Staatskunst gebracht, die von seinem
Metier weit ablagen ; er bewies aber selbst darin einen derartigen
Kalrblick, eine derart rasche Auffassungsgabe und ein derart
treffliches Urteilsvermögen, dass man meinen konnte,
er habe sich nie mit etwas anderm befasst. “
(7)H.Stillet, I,217
(8)H.Stillet, I,233. P. Villey, I,26,150a : „ je voudrois
aussi qu’on fut soigneux de luy choisir un conducteur
qui eust plutost la teste bien faite que bien pleine. “
(9)Zum Vergleich siehe Rabelais, Gargantua, Kap. XXIII. Das
von diesem Humanisten entworfene Erziehungsprogramm ist voll
und ganz dem Erwerb von verschiedenen Wissensgebieten und
ihren Anwendungen gewidmet.
(10)Montaigne kritisiert die platonische Doktrin der Remineszenz
in der „Apologie“, P.Villey, II,12,548-549ab
(11)Comenius, Grosse Didaktik, 5.Kapitel, “ Der Mensch
besitzt von Natur aus die Anlage zu diesen drei Dingen : zu
gelehrter Bildung, zur Sittlichkeit und zur Religiositaet
”, hrsg. von Andreas Flitner, Stuttgart, Klet-Cotta,
1982, p.38
(12)Marcel Conche, Interview in : Le Monde de l’éducation,
avril 1985, aufgenommen in Anita Hocquard, Eduquer, à
quoi bon ? ce qu’en disent philosophes, anthropologues
et pédagogues, PUF, 1996. p.66.
(13)I,23, „ De la coustume et de ne changer aisément
une loy receüe “
(14)H.Stillet I. pp.169-170; P.Villey I,23,110b
(15)H.Stillet I, p.232.
(16)P.Villey, III,13,1076b.
(17)H.Stillet II, p.92; P.Villey II,8,389b
(18)Siehe auch Rabelais, Gargantua, Kap. 23 : „ Quand
Ponocrates congneut la vitieuse manière de vivre de
Gargantua, délibéra aultrement le instituer
en lettres, mais pour les premiers jours le toléra,
considérant que Nature ne endure mutations soubdaines
sans grande violence “.
(19)H.Stillet II,p.577; P.Villey II,31,714c
(20)Montaigne verbirgt nicht seine Bewunderung für Sparta,
das er aus den Schriften Plutarchs kennt. „Es verdient
höchste Beachtung, dass das hervorragende, durch eine
Vollkommenheit wahrhaft monumentale Gzetzgebungswerk des Lykurg
zwar grossen Wert auf die Kindererziehung legt (…).“
H. Stillet, I,p.222; P.Villey, I,25,142a.
(21)II,31, ibid.
(22)Dennoch verdient in den Augen Montaignes das Kind vom
Sinne von infans nicht die Zuwendung, die ihm bisweilen zuteil
wird. „ Ich für meinen Teil kann jedenfalls all
den weder auf Geheiss noch durch Vermittlung unsrer Urteilskraft
in uns entstehenden Neigungen äusserst wenig Geschmack
abgewinnen. So habe ich zum Beispiel hinsichtlich des Gegenstands,
von dem ich spreche, kein Verständnis für die Leidenschaft,
mit der man die grade erst gebornen Kinder zu herzen pflegt,
obwohl sie doch weder seelische Regungen noch eine ausgebildete
Körperform aufweisen, durch die sie sich liebenswert
machen koennten.“ H.Stillet, II,p.89; P.Villey, III,8,387a.
Die Liebe zu kleinen Kindern wird als etwas Irrationelles
dargestellt. Vgl. Philippe Ariès, op.cit. : „
Cependant, un sentiment superficiel de l’enfant –
que j’ai appelé le „ mignotage “
- était réservé aux toutes premières
années, quand l’enfant était une petite
chose drôle. On s’amusait avec lui comme avec
un animal, un petit singe impudique.“ Montaigne verdammt
die „ mignotage “, zweifellos deshalb, weil er
das Kind unbedingt als Person betrachtet sehen will.
(23)H.Stillet, I,p.245 : „Aus dem Umgang mit Land und
Leuten gewinnt die menschliche Urteilskraft einen ungemeinen
Klarheit“. P.Villey, I,26,157a
(24)Wir leihen die Unterscheidung zwischen „ archaischer
Erziehung “ und „ klassischer Erziehung “
von dem deutschen Historiker Werner Jaeger, Die Formung des
griechischen Menschen, (Ausgabe ?) Zum Begriff der “archaischen
Erziehung “ durch den Umgang mit Älteren, siehe
Kap. I, „ la Grèce archaïque “, 1.
„ Noblesse et areté “, (S. ?). Der Historiker
unterscheidet auch zwischen der Erziehung und der Kultur.
Die erste beschränke sich darauf, soziale Normen weiterzugeben,
die zweite ziele darauf ab ein menschliches Ideal zu verwirklichen.
Die philosophische Erziehung markiert in diesem Sinne also
den Übergang zwischen Erziehung und Kultur.
(25)Hans Stillet, p.273; Pierre Villey, I,26,175a.
(26)Philippe Ariès schreibt zu Beginn der 1960er Jahre
: „ Cette quarantaine, c’est l’école,
le collège. Commence alors un long processus d’enfermement
des enfants ( comme des fous, des pauvres et des prostituées)
qui ne cessera plus de s’étendre jusqu’à
nous et qu’on appelle la scolarisation. “ Die
Intellektuellen dieser Epoche, wie Michel Foucault, beklagen
den Vorgang der Wegsperrung (“enfermement “).
Die Position Montaignes gegenüber der Schule ist vergleichbar
mit der des Historikers Philippe Ariès, der die Sakralisierung
der Schule unter der III. Republik kritisiert.
(27)Roger Trinquet, La jeunesse de Montaigne, Nizet, Paris,
1972, S.466-477 ; Georges Huppert, Public Schools in Renaissance
France, University of Illinois Press, Urbana and Chicago,
1934 ; G.Huppert, „ Ruined Schools : The End of the
Renaissance System of Education in France “, in Humanism
in Crisis : The Decline of the French Renaissance, éd
Ph. Desan, Ann Arbor, Un. of Michigan Press, 1991, S.55-67.
Die collèges wurden jedoch auch gegen die Angriffe
von Montaignes Seite sofort verteidigt. Auch Paul Porteau
widmete diesem Thema in den 1930er Jahren seine Doktorarbeit.
Vgl. P.Porteau, Montaigne et la vie pédagogique de
son temps, Paris, Droz, 1935.
(28)H.Stillet, p.233
(29)Vgl. Philippe Ariès, L’enfant et la vie familiale
sous l’Ancien Régime, Le Seuil, 1973, Vorwort
der Neuausgabe : „ La transmission des valeurs et des
savoirs, et plus généralement la socialisation
de l’enfant, n’étaient donc pas assurées
par la famille, ni contrôlées par elle. L’enfant
s’éloignait vite de ses parents ; pendant des
siècles, l’éducation a été
assurée par l’apprentissage dans la coexistence
de l’enfant avec les adultes. Il apprenait les choses
qu’il fallait savoir en aidant les adultes à
les faire.“
(30)Hans Stillet, I, p.240 : „ Durch die Gegenwart der
Eltern wird zudem die Autorität des Erziehers, die für
den Zögling die höchste sein sollte, beeinträchtigt
und ausser Kraft gesetzt.“ S. auch I, 238 : „So
hat sich denn auch die Ansicht allgemein durchgesetzt, dass
es nicht ratsam sei, einen Knaben im Schoss seiner Elterne
aufzuziehen.“
(31)H.Stillet, I,p.258 ; P.Villey, I,26,165b.
(32)H. Stillet, I,p.256.
(33)H.Stillet, I, p.257; P.Villey, I,26,164a
(34)H.Stillet, I,p.257.
(35)H. Stillet, I,p.255 ; P.Villey, I, 26, 163a.
(36)Siehe Philippe Ariès, L’enfant et la vie
familiale sous l’Ancien Régime, 1960 ; Le Seuil,
1973, S.6-11. „ Pour l’homme d’autrefois,
c’était la continuité inévitable,
cyclique, parfois humoristique ou mélancolique des
âges de la vie ; une continuité inscrite dans
l’ordre général et abstrait des choses,
plutôt que dans l’expérience réelle,
car peu d’hommes avaient le privilège de parcourir
tous ces âges, à ces époques de fortes
mortalités. (…) Nous pouvons aujourd’hui
trouver que le discours sur les âges de la vie est un
discours vide, il avait à l’époque un
sens pour ses lecteurs, puisqu’il évoquait le
lien qui unit le destin de l’homme à celui des
planètes “. (S.9) Eine ebensolche Übereinstimmung
mit den Sternen hatte eine andere Art der Periodisierung im
Zusammenhang mit den zwölf Tierkreiszeichen beeinflusst.
Besonders auffallend ist, dass bei Montaigne das Thema der
Lebensalter jegliche Bezugnahme auf die Sterne verloren hat.
Die Notwendigkeit, die den Menschen die Grenze von einem Alter
zum anderen überschreiten lässt, wird allein von
der Notwendigkeit der Veränderung in sich bestimmt.
(37)P.Villey II,28,702a : „ Toutes choses ont leur saisons
“. Wir stimmen hier nicht überein mit der deutschen
Übersetzung, „Alles zu seiner Zeit !“, H.Stillet,
II,p.559.
(38)H.Stillet, I, p. 467 : „Über belanglose Spitzfindigtkeiten
und Spielereien“; P.Villey, I,54,311a : „ Des
vaines subtilitez “.
(39)H.Stillet, I,p. 250; P.Villey, I,26,160a
(40)H.Stillet, I, p.212-213 : „In Wahrheit zielen Sorge
und Aufwand der Väter bei uns auf nichts anderes ab,
als den Kopf der Kinder mit Bücherschränken zu möblieren;
von Urteilskraft und Tugend hingegen – kaum ein Wort
!“. P.Villey, I,25,136a : „ De vray, le soing
et la despence de nos peres ne vise qu’à nous
meubler la teste de science ; du jugement et de la vertu,
peu de nouvelles. “
(41)I,26,164a
(42)H.Stillet, I, p.237; P.Villey, I,26,152c
(43)H.Stillet, I, p.247 : „Solche Beispiele kann man
dem Zögling als Nutzanwendungen aller für das menschlliche
Handeln massgeblichen philosophischen Lehren nahebringen.“
P.Villey, I,26,158a
(44)H.Stillet I, p.250; P.Villey, I,26,160a
(45)H.Stillet, I,257 : „die Philosophie, die als Bildnerin
von Kopf und Herz seine hautpsächliche Lehrmeisterin
sein wird“
(46)P.Villey, II,17,658a. Zum Ursprung des Erziehungsideals
als Kulturleistung in der Welt der Griechen vgl. Werner Jaeger,
Paideia, Die Formung des Grieschischen Menschen, Walter de
Gruyter, Berlin, New York, 1989, S.381 : “ Für
die Neuzeit haftet allerdings der Begriff Humanismus an der
bewussten Beziehung unserer Bildung zum Altertum. Aber diese
hat doch wieder nur ihren Grund in der Tatsache, dass unsere
Idee der “ allgemeinen ” Menschenbildung eben
dort ihren Geschichtlichen Ursprung hat. Der Humanismus ist
in diesem Sinne seinem Wesen nach eine Schöpfung derGriechen.
”
(47)H.Stillet, I, 264 „Wir, die wir hier ja umgekehrt
keinen Grammatiker oder Logiker, sondern einen Edelmann heranzubilden
suchen, wollen jene getrost ihre Zeit vergeuden lassen; wir
haben anderes zu tun !“; P.Villey, I,26,169a : „
Or, nous qui cerchons icy, au rebours, de former non un grammairien
ou un logicien, mais un gentil’homme, laissons les abuser
de leur loisir : nous avons affaire ailleurs. “
(48)H. Stillet III,p.395.
(49)P.Villey, III,12,1037b
(50)H.Stillet, III,396; P.Villey, III,13,1038b
(51)H.Stillet, III,p.396, P.Villey, III,12,1038b
(52)H.Stillet, I,p.484; p.Villeu, I,56,323c
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